Leidenschaft Essen und Trinken

Produkte (überwiegend) aus Frankreich

Das Baguette - ein französisches Nationalsymbol

Frankreich verbindet man noch immer mit Wein, Käse, Baskenmütze und dem Baguette. Dieses Symbol Frankreichs wird sogar in einem Lied besungen: "Ich kauf mir ein Baguette und treff mich mit Jeanette, da kommt auch noch Claudette ...Frankreich, Frankreich ...". Wer kennt es nicht, das Lied der Kölner Gruppe Blackfööss. (Nein, dann hier der ganze Text).

Das Baguette ist eine Brotsorte, das man an seiner länglichen Form ähnlich eines Stabs erkennt, daher auch oft der Spitzname "Zauberstab". Es sollte ungefähr 4 bis 6 cm breit, 3 bis 5 cm hoch und etwa 65 cm lang sein. Sein Gewicht sollte 250 Gramm betragen. (Es gibt heute noch Franzosen/Französinnen die dies nachmessen und nachwiegen, wenn ein neuer Bäcker das Brot geliefert hat und dann entscheiden, ob sie bei ihm wieder Baguette kaufen - kein Witz!) Ein gutes Baguette erkennt man an der goldfarbenen Kruste mit mehreren Einkerbungen an der Oberseite und einem festen Boden, der wie eine kleine Trommel klingt, wenn man mit dem Fingerknöchel darauf klopft. Das Innere eines Baguettes, die Krume, muss immer weich sein, gut strukturiert mit Löchern und cremefarben und nach dem Hineindrücken in das Innere seine Form wieder zurück erlangen. Außerdem sollte es nach frischem Brot riechen, so dass man sofort Appetit bekommt.

Baguette
Baguette
Baguette

Ein Mahlzeit ohne das berühmte Brot, das Baguette, ist für einen Franzosen/eine Französin undenkbar. Wer jemals beim Bäcker erlebt hat, welche "grande catastrophe" es ist, wenn keines mehr da ist, der kann nachvollziehen, welche Rolle das Baguette spielt. Aber das passiert gottseidank nur selten. Baguette gibt es immer. In einem Buch, in welchem weiß ich leider nicht mehr, habe ich folgenden nachdenkenswerten Spruch gelesen: "Die Franzosen kaufen am Sonntag frisches Baguette. Die Deutschen kaufen Bild am Sonntag." Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass es an allen Tagen des Jahres, selbst an den größten Feiertagen, einen Bäcker gibt, der Baguette verkauft. Eine neue Revolution wäre sonst vorprogrammiert!

In einem kleinen Dorf in Südfrankreich war der einzige Bäcker im Dorf einfach über Nacht weggefahren, hatte seinen Laden und seine Backstube zugesperrt und niemandem Bescheid gesagt. Als am Morgen die ersten Kunden vor der versperrten Bäckerei standen, war die Aufregung groß und sofort wurde der Bürgermeister angerufen. "Es gibt kein Baguette!" Nachdem der Amtsträger den Bäckermeister auch nicht erreichte, setzte er sich kurzerhand in sein Auto, fuhr ins nächste Dorf und lud dort seinen Kofferraum voller Baguette. Zurück in seinem Dorf stellte er sein Auto vor die verschlossene Bäckerei und verkaufte eigenhändig aus dem Kofferraum das lang ersehnte Baguette. Alle im Dorf waren glücklich, der Dorffrieden wieder hergestellt, die Revolution blieb aus und die nächste Wahl war so gut wie gewonnen. (eine wahre Geschichte)


Boulangerie
Boulangerie
Boulangerie

Nach Angaben des französischen Statistikamtes konsumieren die Franzosen täglich rund 30 Millionen Baguettes (davon ca. 6 Millionen aus handwerklichen Bäckereien). Eine Mahlzeit ohne Brot ist undenkbar. Der Geschmacksverlust des französischen Nationalsymbols "Baguette" und natürlich auch neue Brotsorten und veränderte Essensgewohnheiten haben aber auch dazu geührt, dass sich in Frankreich der Baguette-Konsum in den letzten hundert Jahren enorm verändert hat. Aßen die Menschen um 1900 noch durchschnittlich 3 Baguette täglich (das waren immerhin rund 328 Kilogramm pro Jahr), so essen sie heute durchschnittlich nur noch ein halbes Baguette täglich (was immer noch die Jahresmenge von rund 58 Kilogramm ausmacht). Das macht im Jahr aber immerhin noch rund 10 Milliarden Baguettes aus, nicht zu vergessen die vielen anderen Brotsorten, die von den Bäckereien und den Supermärkten heute angeboten werden.

Das erklärt auch, warum die Anzahl der "echten" Bäckereien seit Jahren bei rund 32 000 relativ konstant geblieben ist. Das Baguette ist in Frankreich daher ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Das nationale Institut für Statistik und Wirtschaftsstudien hat im Jahr 2020 den durchschnittlichen Preis von einem Baguette mit 250 Gramm Gewicht bei 0,88 Euro ermittelt. Als im April 2008 der weltweite Weizenpreis anstieg und sich dadurch die Mehlpreise erhöhten, überstieg der Preis für ein Baguette erstmals die 1-Euro-Schwelle. Obwohl die Franzosen sonst für Essen viel Geld ausgeben, war dies ein Grund für wütende landesweite Proteste, so dass der Baguette-Preis wieder sank.

Baguette
Baguette
Baguette

In den 60iger Jahren des letzten Jahrhunderts entdeckte auch die Industrie das Baguette und überschwemmte das Land mit industriell gefertigtem Brot (Aus fertig geformten Backrohlingen, oft aus dem Ausland mit weniger hochwertigen Zutaten, einfach zum Aufbacken). Durch die Massenproduktion konnten die Supermärkte und Discounter viel billigere Preise verlangen und verdrängten so die alten handwerklichen Bäcker. Diese reagierten mit der Rückkehr zu den traditionellen Backmethoden und dem Einsatz hochwertiger Rohstoffe, vor allem dem Mehl, das sie ausschließlich in Frankreich einkauften.

Der französische Staat unterstützte diese Initiative indem der damalige Premierminister Edouard Balladur am 13. September 1993 das Dekret 93-1074 erließ, in dem strenge Auflagen für die Herstellung des nun gesetzlich geschützten "Baguette de tradition française" (Baguette nach französischer Tradition) festgeschrieben waren. Nur Weizenmehl, Wasser, Salz und Hefe durften zur Herstellung verwendet werden, es muss in der Bäckerei vor Ort handwerklich hergestellt werden, auch der Teig muss eigenhändig produziert werden und es dürfen weder Lebensmittelzusatzstoffe noch chemische Gärmittel verwendet werden. (Erlaubt sind nur 2 % Bohnenmehl, 0,5 % Sojamehl und 0,3 % Malzmehl aus Weizen).

Und 1998 weitete die Regierung zum Schutz der Bäckereien, meist Familienbetriebe mit langer Tradition, vor den großen Brotfabriken das Gesetz aus. Nur solche Bäckereien dürfen sich "Boulangerie" nennen, die ihr Brot vom Teiganrühren, Formen und Backen bis zum Verkauf eigenständig verantworten. Die großen Supermärkte und Discounter, die das Baguette meist aus vorgefertigter, tiefgefrorener Masse herstellten, mußten daher ihre Brotverkaufsstellen in fantasievolle Namen wie "Point chaud" oder "Viennoiserie" umbenennen.

Boulangerie
Boulangerie
Boulangerie

Eine weitere Aufwertung des Baguettes ist der seit 1994 jährlich in Paris stattfindende "Concours de la meilleure baguette de Paris", ein Wettbewerb um das beste Baguette in Paris. Eine Jury bewertet das eingereichte Baguette nach Aussehen, Struktur, Geschmack, Geruch, Krümelfähigkeit usw. Der Sieger darf ein Jahr lang den Élysée-Palast, also die offizielle Residenz des französischen Präsidenten, beliefern. Neben der Ehre ist das für den Bäcker auch ein enormer Werbeeffekt.

Und seit 2018 bemüht sich Frankreich auf Wunsch des nationalen Verbands der französischen Bäckereien und Konditoreien um die Aufnahme des Baguette in die Liste der immateriellen Kulturerbes der Menschheit bei der UNESCO. Diese Kategorie, die es seit 2003 gibt (neben der Liste der bemerkenswerten Baudenkmäler und Stätten) hat das Ziel, traditionelle kulturelle Praktiken und deren Know-how zu schützen und der Menschheit zu hinterlassen. Auf dieser Liste stehen bereits u.a. "Le repas gastronomique des Français" (das gastronomische Essen der Franzosen), la bière belge (das belgische Bier) und "l`art de la pizza napolitaine" (die neapolitanische Pizza).

Im Februar 2021 erklärte die französische Kulturministerin Roselyne Bachelot, dass sie im März Präsident Emmanuel Macron eine Empfehlung aussprechen wird, damit dieser eine möglichen Aufnahme in die Liste für 2022 forcieren kann. Eingereichte Vorschläge sind neben dem Baguette, das "Bion d`Arbois" (ein Weinfest im Jura) und "Les toits en zinc de la capitale" (die Zinkdächer von Paris). Als Argumentationshilfe hat der "Président de la Confédération des boulangers français" (der Präsident des französischen Bäckerverbandes), Dominique Anract, folgendes gesagt: "Die erste Aufgabe, die einem Kind anvertraut wird, ist der Kauf eines Baguettes in einer Bäckerei. Wir müssen daher diese Bräuche und auch diese guten Qualitätsprodukte schützen, damit unsere Kinder, unsere Enkelkinder die Freude haben können, ein leckeres Baguette zu essen." (L´Independant, 18.02.2021) Genau so ist es!

Am 1. Dezember 2022 war es dann soweit: Das Baguette wurde in die Liste der immateriellen Kulturerbe der Menschheit bei der UNESCO aufgenommen. Gratulation!

Heute gibt es nur wenige Städte auf der Welt, in denen man das "berühmte" Baguette nicht in einem Geschäft wiederentdecken kann. Da aber immer mehr Menschen auf die Qualität achten, sind sie mit dem industriell gefertigten "Stäbchen" nicht mehr zufrieden (Allein Frankreich liefert ins Ausland jährlich mehr als 150 000 Tonnen industriell gefertigte Baguette-Rohlinge).

Baguette schmeckt ja nur, wenn es frisch ist, also ca. 4 bis 5 Stunden alt. So lassen sich immer mehr Bäcker aus der ganzen Welt (vor allem aus Japan und den Vereingten Staaten von Amerika) in der Kunst des Brotbackens in Frankreich ausbilden und benutzen dazu die zahlreichen international anerkannten Kochschulen oder machen Praktika bei traditionellen französischen Bäckern, um dann in ihrer Heimat den Kunden ein "original" Baguette anzubieten.

Baguette
Baguette
Baguette

Wer hat das Baguette erfunden?

Um es gleich vorweg zu sagen, nichts Genaues weiß man nicht. Es gibt verschiedene Thesen, wer das Baguette zuerst kreiert hat, aber keine ist letztendlich bewiesen, so dass alles nur Spekulation sein kann.

So weist eine Geschichte auf den Wiener Unternehmer August Zang hin, der 1839 die erste "Wiener Bäckerei" in Paris gegründet hat und dort das damals berühmte Wiener Gebäck ("Pain Viennois") verkaufte. Auch soll dort erstmals ein Brot aus der "Wiener Kastenform" verkauft worden sein, das wegen seiner typisch länglichen Form dem Baguette ähnlich sah.

Auch Napoleon muss für die Entstehung des Baguettes herhalten. Auf seinen Feldzügen stellte er fest, dass das herkömmliche runde Brot von den Soldaten nur schwer im Marschgepäck unterzubringen war. Deswegen forderte er von seinen Bäckern ein längliches Brot, das leichter in die Taschen und Jacken der Soldaten passte.

Eine dritte Legende geht auf den Bau der Pariser U-Bahn zurück. Fulgence Bienvenüe, der verantwortliche Ingenieur, erlebte immer wieder die Schlägereien und die Gewalt unter den Arbeitern unterschiedlichster Herkunft. Dabei wurde oft auch das Messer eingesetzt, dass die Arbeiter zum Schneiden der runden Brote in Scheiben dabei hatten. Er forderte daher die Bäcker auf, längliche leichtere Brote zu backen, die gebrochen werden konnten, so dass das Mitführen von Messern verboten werden konnte.

Wer das Baguette letztendlich erfunden hat, kann uns eigentlich heute egal sein, Hauptsache es schmeckt!

Baguette
Baguette
Baguette

Noch ein paar Fakten zum Baguette

Baguette in seiner ursprünglichen Form besteht aus vier einfachen Zutaten: Mehl, Hefe, Wasser und Salz.

100 g Baguette enthalten durchschnittlich: 7,0 g Eiweiß, 3,0 g Fett, 58,4 g Kohlenhydrate, 4,0 g Ballaststoffe.

An Mineralstoffen beinhaltet es Natrium, Kalium, Calcium, Magnesium und Eisen. Spuren der Vitamine B1, B2 und B6 sind vorhanden.

100 g Baguette haben durchschnittlich 297 Kilokalorien (1244 Kilojoule). (Quelle: BMI-Rechner)

Das in Supermärkten und Discountern gekaufte Baguette hat durch Hinzufügen von Konservierungsstoffen zur Haltbarkeitsmachung und so genannten künstlichen Weißmachern meist an Qualität verloren.

Auch wenn der Preis etwas höher ist, sollte man daher sein Baguette beim Bäcker vor Ort kaufen. Es schmeckt besser, unterstützt die kleinen Handwerksbetriebe und hilft mit deren Arbeitsplätze zu erhalten. Und ein kleiner Ratsch mit der netten Bäckerstochter ist auch nicht von der Hand zu weisen.

Ob Baguette gebrochen oder geschnitten wird ist eine "Glaubensfrage". Nach unseren Beobachtungen wird im Süden Frankreichs das Baguette überwiegend gebrochen, während unser französischer Freund aus Paris (!!) das Baguette mit dem Messer schneidet. Heute ist man in Frankreich toleranter und wird nicht gleich schief angeschaut, wenn man Baguette im Süden des Landes schneidet und sich damit als "étranger" outet.

Ein Baguette (fast immer in dünnen Scheiben in einem Brotkorb auf dem Esstisch stehend) gehört zu jeder französischen Mahlzeit - zum Entrée ebenso wie zum Hauptgericht - zur Pastete, zur Sauce, zum Käse, ja selbst zu Pommes frites. Wer in einem Restaurant den Brotkorb unberührt stehen lässt, wird mit Ungläubigkeit bis zur Verachtung gestraft.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich die vielen "Alternativen" zum althergebrachten Baguette (denn diese schmecken natürlich auch gut, wenn sie aus einer echten Boulangerie kommen): La Ficelle (wie Baguette nur flacher, schmaler und halb so schwer), La Flûte (in der Mitte zwischen Baguette und Ficelle), Le Pain (größeres, längeres und dickeres Baguette, bleibt länger frisch), La Couronne (Brot in Kranzform), Le Bâtard (Brot in ovaler Form), Le Pain boulot (großes, schweres Brot in Kugelform), Le Pain polka (Kruste mit Zopfmuster), La Fougasse (herzhafter oder süßer Brotteig), Le Pain épi (Baguette mit vielen Spitzen, knusprig und leicht zu brechen), Le Pain complet (Hefebrot aus Schrot, Kleie, Keimen, besonders viele Ballaststoffe) ... Daneben werden dem Brotteig oft Zutaten wie Oliven, Sonnenblumenkerne, Walnüsse, Honig, Feigen, Kräuter, Knoblauch, Rosinen, getrocknete Aprikosen ... beigemischt, die dem Brot einen besonderen Geschmack verleihen. Für jeden ist etwas dabei. In vielen Regionen Frankreichs findet man spezielle beliebte Brotsorten.

Pain

Pain

Pain

Pain
Pain
Pain

Zum Schluss noch ein paar Geschichten zum Baguette

Ein Bäcker in Okzitanien behauptet, dass das Baguette nur dann gelingt, wenn man immer die Zahl 56 beachtet. Die Temperatur in der Küche (Backstube), des Mehls und des Wassers muss die Zahl 56 ergeben. Als Beispiel: Die Temperatur in der Küche beträgt 24 Grad, das Mehl hat eine Temperatur von 20 Grad und das Wasser hat eine Temperatur von 12 Grad, zusammen 56! Das Baguette wird gut!

Einer Legende nach kann man ein ungutes Gefühl, das man nach dem Aufstehen hat, nämlich dass heute alles schief laufen wird, damit beseitigen, dass man ein Stück frisches Baguette, vielleicht gerade beim Bäcker gekauft, in eine saubere weiße Serviette einwickelt und der erstbesten Person, der man am Morgen begegnet, schenkt. Damit könne man das Unheil vermeiden.

Im 14. Jahrhundert, als die Päpste im Papstpalast in Avignon regierten, wurde als Strafe für minderwertiges Brot verhängt, dass der Bäcker mit emblößtem Oberkörper an den Pranger gebunden wurde und alle vorbeigehenden Bewohner ihm Stockschläge verabreichen sollten.

zurück zu Einige französische Produkte
zurück zu Leidenschaft Essen und Trinken
zurück zur Startseite
©uew-2022-12