Leidenschaft Essen und Trinken
Trinken (vor allem in Frankreich)
Pastis - "Der kleine Gelbe"
Strahlender Sonnenschein, blauer Himmel, die Zikaden
zirpen, das Meer rauscht sanft, ein warmer Wind weht und ein Glas Pastis in der
Hand (früher hätte ich noch geschrieben "und eine Gauloises im
Mundwinkel") - savoir vivre pur. Doch auch das Wetter spielt in Frankreich
nicht immer mit, und wenn der Mistral oder der Cers ordentlich blasen,
verstummen auch die Zikaden und das Meer tobt ohrenbetäubend. Was bleibt
ist der Pastis - natürlich schmeckt er bei schönem Wetter "besser",
aber auch sonst gehört er zu Frankreich wie der Ball zu einem
Fussballspiel. Unzählige Sorten findet man in den Regalen des Supermarché
und stundenlang kann man mit Franzosen darüber diskutieren, welcher "petit
jaune" nun der bessere ist.
Man möge es mir nachsehen, dass ich mich auf
dieser Seite überwiegend mit dem Pastis von "Ricard" beschäftige.
Er schmeckt mir einfach am Besten, obwohl ich schon viele andere probiert habe.
Die Geschmäcker sind nun mal unterschiedlich, so dass andere Sorten manchem
besser schmecken werden. Und ich möchte auch noch anfügen, dass ich
nicht in den Diensten der Firma Ricard stehe und von ihr auch keinerlei Vergütungen
bekomme (was ja eigentlich schon schade ist).
Pastis ist ein Schnaps mit 40-45 Vol-% Alkohol auf
Basis der Früchte der Pflanze Anis (Pimpinella anisum). Schon in der Antike
wurde ein Getränk auf dieser Basis als Heilmittel gegen Darm-, Magen- und
Verdauungsbeschwerden konsumiert. Später entdeckte man neben weiteren
gesundheitsfördernden Maßnahmen auch die appetitanregende Eigenschaft
und so verwundert es nicht, dass Anisschnaps in vielen Ländern, vor allem
im Mittelmeerraum, Verwendung fand und immer noch findet. (In Frankreich ist es
der Pastis, in Italien der Sambucca, in Griechenland der Ouzo oder in der Türkei
der Raki).
In Frankreich begann alles schon sehr früh. 1805
hatte Henri-Louis Pernod aus Pontarlier, in der Nähe der schweizerischen
Grenze, ein Rezept erworben und stieg damit in die Groß-Produktion eines
anishaltigen Getränkes ein, den Absinth. (Wer ihn als erstes kreiert hat,
darüber streiten sich die "Gelehrten": War es Dr. Pierre
Ordninaire oder war es ein Rezept der Schwestern Henriod aus Val-de-Travers in
der Schweiz).
Französischen Soldaten, die in Afrika Land erobern
sollten, wurde gegen Krankheiten wie Durchfall, Fieber und Ruhr, aber wohl auch
gegen ihr Heimweh und die Kriegsangst dieser hochprozentiger Schnaps auf Anis-
und Wermutbasis "verschrieben". Der mindestens 70prozentige Schnaps
schmeckte und ließ die "Alltagssorgen" schnell vergessen. Das
sprach sich auch im Mutterland herum und so wurde der Absinth schnell zu einem
Modegetränk, zuerst für die Bourgeoisie mit dem Ritual des Absinth-Löffels
für den Zucker und später auch für das "normale" Volk.
Rasend schnell verbreitete sich dieses Getränk in der ganzen Welt und damit
auch der Alkoholismus in bisher unbekannten Dimensionen.
Der Missbrauch dieses hochprozentigen Getränkes führte
wegen der halluzinatorischen Wirkung des im Wermut enthaltenen Nervengiftes
Thujon zu großen Gesundheitsproblemen (Absinthismus) in der französischen
und europäischen Gesellschaft. Im Jahre 1915 schließlich wurden
Herstellung und Konsum in Frankreich trotz massenhafter Proteste gesetzlich
verboten (und alle anderen anishaltigen alkoholischen Getränke gleich mit).
Andere europäische Länder folgten, darunter 1923 auch Deutschland.
Ach ja, anzuführen wäre noch, dass im Rahmen
der EU das Absinth-Verbot 1998 gelockert wurde. Zwar ist weiterhin die
Verwendung von Thujon eingeschränkt, erlaubt sind aber die Beimischung
thujonhaltiger Bestandteile (es dürfen nur 35 mg pro Liter verwendet
werden) und Pflanzenextrakte wie Wermutkraut nach strengen Höchstmengen. So
darf dieser Absinth seit 1998 in Deutschland und seit 2011 in Frankreich wieder
hergestellt, verkauft und konsumiert werden.
Ein als Ersatz produziertes ähnliches Getränk
(mit geringerem Alkoholgehalt und ohne die Wermutpflanze) überzeugte nicht.
Erst 1932 entwickelte Paul Ricard ein neues Rezept, dem er u.a. Süßholz
("Réglisse"), Anis und Fenchel zugab und es als "Le vrai
Pastis de Marseille" ("Der wahre Pastis aus Marseille")
vermarktete. Das kam an. Die Geburtsstunde des heutigen Ricard-Pastis, dessen
Rezept sich bis heute nicht geändert hat. Das Wort "Pastis" kommt
übrigens aus dem Provenzalischen und bedeutet so viel wie Mischung,
Unordnung, Durcheinander.
Andere Pastis-Produzenten zogen mit eigenen Rezepten
nach und sicherten sich ihren Marktanteil. 1975 fusionierten in Frankreich die
beiden großen Pastis-Häuser Ricard und Pernod. Heute ist das
Unternehmen "Pernod Ricard" mit einem Jahresumsatz von mehr als 8
Milliarden Euro und zwischenzeitlich weit mehr als 200 verschiedenen Spirituosen
im Portfolio - vom schottischen und irischen Whisky (wie Chivas Regal,
Glenlivet, Clan Campbell, Aberlour, Jameson, Paddy ...) über Rum (Havanna
Club ...), Cognac (Martell...), Gin (Beefeater ...), Wodka (Absolut ...) bis zu
anderen Likören und Aperitifs (Ramazotti, Becherovka, Lillet, Suze ...) und
verschiedenen Wein- und Champagnerproduktionen (wie Mumm ...) der zweitgrößte
Globalplayer (nach der Gruppe Diageo) bei alkoholischen Getränken.
Doch zurück zum "petit jaune".
Hergestellt wird Pastis aus Anis (meist Sternanis), Fenchel, Süßholzwurzeln,
den verschiedensten Kräutern (wie Thymian, Salbei, Beifuß,
Bohnenkraut, Kreuzkümmel, Tausendgüldenkraut usw. - angeblich aus mehr
als 50 Kräutern und Pflanzen), Zucker, Wasser und reinem Alkohol. Die
genaue Dosierung und das Mischungsverhältnis werden jedoch streng geheim
gehalten. Der Alkoholgehalt beträgt mindestens 40, beim Pastis de Marseille
45 vol-% Alkohol. Er ist dunkelgelb bis bräunlich und schmeckt ein bisschen
wie Lakritze. Beim Zufügen von Wasser wird der klare Pastis dann milchig
(sog. Louche-Effekt). Das Mischungsverhältnis von Pastis und Wasser muss
jeder selber nach seinem eigenen Geschmack herausfinden (Hersteller empfehlen
einen Teil Pastis mit 4-5 Teilen Wasser zu verdünnen). Auf alle Fälle
sollte man immer eiskaltes Wasser ohne Kohlensäure verwenden.
Echte Pastis-"Sachverständige" streiten
im übrigen darum, welche Reihenfolge einzuhalten ist: Pastis, dann Eis,
dann Wasser oder Pastis, dann Wasser, dann Eis oder doch erst Eis, dann Pastis,
dann Wasser. Ich habe alle Varianten ausprobiert und keinen Unterschied
festgestellt. Er hat einfach geschmeckt. Und manche eingeschworenen
Pastis-Trinker verzichten sogar auf den Eiswürfel, denn sie schwören
darauf, das der Eiswürfel beim Pastis einen Temperaturschock auslösen
würde, der das ganze Aroma verfälschen würde. Na gut, "à
chacun son goût"! Wobei man natürlich auch noch über die
Form des Glases streiten kann.
Und dann darf auch die "stilechte"
Wasserkaraffe nicht fehlen!
Pastis ist nicht nur ein Getränk, Pastis ist ein
Lebensgefühl, damit verbinde ich Sonne, Wärme, blauer Himmel,
angenehme Umgebung und interessante Gespräche, Freude, Glück und
Zufriedenheit vielleicht noch das Zirpen der Zikaden und einen lauwarmen
leichten Wind und das Klacken der Boule-Kugeln im Hintergrund. Was will man
mehr! Ok, ein paar Oliven (die "Kurtisane" des Pastis) oder ein Schüsselchen
Pistazien wären nicht schlecht.
Und hier noch der Tipp eine alten Franzosen: Sollte
irgendwann einmal Ihr Magen rebellieren (vielleicht war ja eine Huitre nicht
mehr ganz frisch), dann schnell ein oder zwei Gläschen Pastis unverdünnt
lauwarm getrunken, und ganz schnell geht es wieder viel besser! Bestätige
ich aus eigener Erfahrung.
Pastis für Cocktails und
Speisen
Auch wenn ich eher zum "Urgenuss" des Pastis
neige, so soll vollständigkeitshalber auch erwähnt werden, dass der
Pastis heute in vielen Cocktail-Getränken und zum Verfeinern und
Aromatisieren von Speisen verwendet wird. Hier ein paar Beispiele:
Cocktails mit Pastis
Cocktail Tomate: Pastis, Grenadinesirup, Wasser und Eis
Cocktail Papagei: Pastis, Minzsirup, Wasser und Eis
Cocktail Rourou:
Pastis, Erdbeersirup, Wasser und Eis
Cocktail Mauresque: Pastis,
Mandelsirup, Wasser und Eis
Cocktail Sazerac: Pastis, Whisky (oder Cognac)
Wasser und Eis
Speisen mit Pastis
Moules au pastis
Crevettes au pastis
Poulet au pastis
Die Rezepte für Getränke und Essen mit Pastis
sind leicht im Internet zu finden.
Alors à la santé!
©uew-2022-03