Leidenschaft WEIN
Vin nouveau und Primeur
Viele Winzer und Weinliebhaber fiebern dem dritten
Donnerstag im Oktober entgegen. Denn an diesem Tag wird der "Vin nouveau"
präsentiert. Und dabei zeigt es sich, wie erfolgreich die mühevolle
Arbeit auf den Weinfeldern das ganze Jahr über war und wie der neue
Jahrgang wird.
Während Weine, die über eine
IGP-Qualifikation (IGP = Indication Géographique Protégée)
verfügen, bereits im Oktober verkostet werden können, müssen die
Weine, die über die höhere AOP-Zertifizierung (AOP = Appellation
d'Origine Contrôlée) verfügen, bis zum dritten Donnerstag im
November warten (das ist das Datum, an dem z. B. die Beaujolais Primeur Weine
verkostet werden dürfen).
Der Beaujolais Primeur, auch Beaujolais Nouveau genannt, löste in
den 70/80iger Jahren einen regelrechten Boom weltweit aus und wurde damit zu
einem wichtigen Wirtschaftsfaktor der Weinbranche und der Gastronomie. Überall
in Frankreich finden am dritten Donnerstag im November beeindruckende Feste und
Feierlichkeiten und Verkostungen statt, die Einheimische und Touristen anziehen.
Ein Großteil der Beaujolais-Produktion von ca. 55 Millionen Flaschen, geht
auch ins Ausland, vor allem nach Asien, in die Vereinigten Staaten und in europäische
Länder.
Um ein wenig davon abzubekommen, haben auch die Winzer
anderer Weinregionen, wie zum Beispiel in Okzitanien, begonnen den "neuen"
Wein herzustellen und zu vermarkten. Da es sich dabei meistens um Weine mit
IGP-Zertifizierung handelt, dürfen diese Weine schon einen Monat früher,
also am dritten Donnerstag im Oktober zur Verkostung freigegeben werden. Die
Feste und Verkostungs-Veranstaltungen dazu sind nicht weniger gut besucht und
oft auch aufwendig gestaltet.
Die Kunst, einen Qualitätswein innerhalb von ca.
drei Wochen nach der Ernte herzustellen ("normale" Weine brauchen bis
zur Abfüllung zwischen 6 und 36 Monaten), verlangt den Winzern und den
Kellermeistern einiges ab, ist sie doch eine technologische Herausforderung.
Gleichzeitig müssen sie sich ja noch um die anderen Weine kümmern, die
in den Weintanks lagern und reifen, von der Arbeit in den Weinkellern und den
Feldern ganz abzusehen.
Bei der Herstellung des "neuen" Weines verwenden die Winzer
die sog. Kohlensäuremazeration (Kohlensäuregärung). Bei der
ersten Gärung wird in den Körnern der unbeschädigten Trauben
bevor sich diese aufspalten Kohlensäure und Alkohol produziert ("intracellulare
Fermentation"), die dabei entstehende Apfelsäure wird umgewandelt und
es entstehen organische Verbindungen, sog. Ester, die dem neuen Wein seinen
fruchtigen Geschmack und Geruch verleihen. Der Winzer muss unbedingt darauf
achten, dass dabei kein Sauerstoff dazukommt, denn der würde statt dem
Alkohol Essigsäure produzieren und der Wein wäre verdorben. Nach ca.
drei Wochen können die Weine dann abgefüllt und verkostet werden.
Immer ein Wettlauf mit der Zeit.
Selbstverständlich sind bei der Herstellung des "Vin Nouveau"
die Kriterien und Vorschriften der jeweiligen Appellation strikt einzuhalten.
Während im Weinbaugebiet Beaujolais mit der
Traubensorte Gamay fast ausschließlich Rotweine als Primeurs produziert
werden, stellt man in Okzitanien neben dem roten, auch weiße und sogar rosé
Vins nouveaus her. Sie alle zeichnen sich aus durch ihren frischen und
fruchtigen Geschmack oft nach Beeren, Kirsche oder gar Südfrüchten.
Sie verfügen über eine leichte Säure und eine intensive Farbe. Es
wird empfohlen, die neuen Weine leicht gekühlt zwischen 12°C und 14 °C
zu verkosten, da dadurch die fruchtigen Aromen besser zur Geltung kommen. Die
Weine sind nicht für längere Lagerung vorgesehen, möglichst
innerhalb von drei Monaten nach Abfüllung konsumieren.
Bei der Verkostung werden traditionell gebrannte
Kastanien gereicht, manchmal auch in Verbindung mit gegrillter Bratwurst ("Saucisse
de Toulouse"). Viel Spaß beim Probieren des "Vin nouveau"
und des "Primeur".