Leidenschaft WEIN
Alkoholfreier Wein
Während alkoholfreies Bier in der europäischen
Union einen Marktanteil von rund 7 % hat, beträgt er beim alkoholfreien
Wein weniger als 1 %. Das liegt zum größten Teil daran, dass immer
noch behauptet wird, alkoholfreier Wein schmecke nicht und er sei "nur"
Traubensaft. Das stimmt aber so nicht. Der alkoholreduzierte und auch der
alkoholfreie Wein durchläuft den gleichen Herstellungsprozess wie der "normale"
Wein, also ein durch Gärung aus dem Saft der Weintrauben und dann bestimmte
Reifungsstufen durchlaufendes Getränk. Je besser dieser Wein ist, desto
besser ist auch das alkoholfreie Getränk.
Bis 2021 wurden in der
EU alkoholfreie und alkoholreduzierte Wein unter dem Titel "Getränk
aus Trauben" geführt, waren also ein Lebensmittel und rechtlich
gesehen kein Wein. Erst eine Gesetzesänderung ermöglichte es seit 2022
dieses Getränk auch als Wein zu bezeichnen. Laut dem europäischen
Lebensmittelrecht dürfen Getränke, also auch Wein, dann als
alkoholfrei bezeichnet werden, wenn sie nicht mehr als 0,5 Prozent Alkoholgehalt
haben (als alkoholarm werden Weine bezeichnet, die nicht mehr als 1,2 Prozent
Alkohol haben).
Grundsätzlich eigenen sich alle Weinarten, also
Rot-, Rosé- und Weißwein und auch Schaumweine zur
Entalkoholisierung. Und es gibt sie auch alle zu kaufen.
Alkoholfreier Wein hat eine ziemlich lange
Geschichte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann Dr. Carl Jung, Sohn einer
Winzerfamilie im Rheingau, mit der Entwicklung eines sog.
Vakuum-Extraktionsverfahren, um herkömmlichem Wein schonend den Alkohol zu
entziehen. Er hatte Erfolg und sein Verfahren wurde 1907 patentiert. Noch heute
gehört das Weingut Carl Jung in Rüdesheim am Rhein zu den führenden
Produzenten von alkoholfreiem und alkoholreduziertem Wein und Sekt. Eine ganze
Reihe von Weinproduzenten in ganz Europa begann daraufhin ebenfalls mit der
Produktion von alkoholfreiem Wein.
Bei der Entalkoholisierung hatte man mit dem Problem zu
kämpfen, dass Alkohol, ähnlich wie das Fett bei Speisen, der
wichtigste Geschmacksträger ist, dem der Wein das Aroma und den Geschmack
verdankt. Bisher hat man drei Verfahren entwickelt, die zu Erfolg geführt
haben.
1. Die Vakuumdestillation
Der Wein wird dabei unter niedrigem Druck bzw. Vakuum
erwärmt. Das führt dazu, dass bereits bei einer Temperatur von ca. 29°
C der Alkohol extrahiert werden kann ohne dass die anderen Bestandteile des
Weines vor allem die Geschmacksnoten, die Aromen und die Farbe beeinträchtigt
werden.
2. Die Umkehrosmose
Hier wird der herkömmliche Wein durch einen ganz
feinen Filter, eine sog. Membrane, geleitet. Während Aromen, Gerbstoffe,
Farbe zurückgehalten werden, werden Alkoholmoleküle und Wasser, da sie
die kleinsten Moleküle im Wein sind, durchgelassen. Diese Flüssigkeit
aus Alkohol und Wasser wird anschließend destilliert, um den Alkohol vom
Wasser zu trennen. Dieses wird dann wieder mit den zurückgebliebenen
Stoffen vermischt und man erhält einen Wein ohne Alkohol aber mit den ursprünglichen
Bestandteilen.
3. Die sog. Spinning-Cone-Technik
Dabei wird der Wein mit Hilfe von Vakuum und bestimmten
Temperaturen in mehreren Stufen in seine Einzelteile (sog. Fraktionen) zerlegt.
Danach werden sie unter Zurückhaltung des Alkohols wieder zusammengesetzt.
Alle diese Verfahren sind sehr aufwendig. Dabei
verliert der Wein nicht nur seinen Alkohol, sondern auch einen Teil seines
Gesamtvolumens, die Menge wird also geringer. Es darf daher nicht verwundern,
dass sich dieser Verlust auch auf den Preis auswirkt. Guter, alkoholfreier Wein
ist etwas teurer als der gleiche Wein mit Alkohol.
Wein mit oder ohne Alkohol? - Gut, dass jeder von uns
selber entscheiden kann!
Die Diskussion darüber spaltet wohl etwas die
Gemeinschaft der Weintrinker. Passionierte Weinkenner werden den Unterschied
durchaus schmecken. Dennoch gibt es sicherlich Gründe auf die alkoholfreie
Variante zurückzugreifen und eine Flasche alkoholfreien Wein zu öffnen.
"Ich muss noch Autofahren" ist sicherlich ein Hauptgrund, aber auch
religiöse Gründe, Lust auf was Neues oder gesundheitliche Bedenken
(wobei Wein und Gesundheit ein weites Feld ist und entsprechend konträr
diskutiert wird, dazu aber später an anderer Stelle mehr). Richtig ist auf
alle Fälle, dass alkoholfreier Wein wesentlich weniger Kalorien hat, als
herkömmlicher Wein (ungefähr nur ein Drittel gegenüber dem Wein
mit Alkohol). Und auch die gesundheitsfördernden Bestandteile wie Tanine
oder Flavinoide sind im alkoholfreien Wein enthalten. Es soll aber auch nicht
verschwiegen werden, dass aufgrund des geringen Alkoholanteils von 0,5 %
alkoholfreier Wein während einer Schwangerschaft trotzdem nicht zu
empfehlen ist. Und auch trockene Alkoholiker sollten darauf verzichten.