Leidenschaft Okzitanien
Sehenswertes in Okzitanien
Maison Noilly Prat in Marseillan
In dem kleinen südfranzösischen Ort
Marseillan, im Departement Herault, da wo der Canal du Midi in den Etang de Thau
mündet, ist die älteste Wermut-Produktionsstätte Frankreichs
beheimatet: das Maison Noilly Prat. Früher einer der beliebtesten Wermuts
und gern getrunkener Aperitif in Frankreich, geniest er heute leider nur noch
ein Schattendasein. Wegen seines würzigen Aromas ist er aber nach wie vor
in der Gastronomie, auch bei Spitzenköchen, zum Verfeinern von Soßen
und Aromatisieren von Speisen, vor allem Meeresfrüchten, sehr beliebt.
Basis des Noilly Prat sind zwei Weißweine, der "Clairette"
und der "Picpoul de Pinet", die beide in der Umgebung von Marseillan
angebaut werden. Zum Abrunden verwendet man eine Mischung aus leicht angegärtem
Traubensaft (Mistelle genannt) verschnitten mit neutralem Alkohol. Dazu kommen
dann - streng geheimgehalten - mehr als 20 Kräuter und Gewürze aus
aller Welt.
1813 legte Joseph Noilly in der Nähe von Lyon mit
der Gründung eines Unternehmens für Wein und Spirituosen den
Grundstein für den erfolgreichen Wermut. Sein Sohn Louis Noilly und dessen
Schwiegersohn Claude Prat gründeten 1855 gemeinsam die Firma Noilly Prat &
Cie, nachdem bereits 1843 der große Erfolg des Wermuts eine neue
Produktionsstätte in Marseille notwendig gemacht hatte. 1859 schließlich
wurde in Marseillan ein weiterer und der endgültige Standort geschaffen
(Ein Grund war der in der Nähe angebaute und benötigte Weißwein,
ein weiterer die große Freifläche, die zum Lagern der Fässer
gebraucht wird.)
Erste Station der Führung ist der "Chai des
Mistelles". Hier lagern die Weißweine (Clairette und Picpoul aus der
Region) noch getrennt in großen Eichenfässern bis zu 12 Monate. Dabei
altern sie zu leicht angegärtem "Traubensaft". Um den Gärprozess
zu stoppen, wird nach einer gewissen Zeit neutraler Aklohol zugegeben.
Anschließend wird das Wein-Alkohol-Gemisch in "handliche"
600-Liter-Fässer umgefüllt und auf einer Freifläche, dem sog. "Enclos",
mehrere Monate zwischengelagert (einzigartig in der Welt). Dabei unterstützen
die Sonne, der Regen, der Wind, evtl. auch schwacher Frost, kühle und warme
Tage und Nächte die Reifung und Oxidierung des Gemisches. Durch die
sommerliche Hitze verdunstet ein Teil der Flüssigkeit im Fass (ca. 8 % - "Anteil
der Engel") und das Aroma und die Farbe werden kräftiger. Um den Gärungsprozess
zu beenden gibt man dann erneut etwas neutralen Alkohol zu. Das nennt man "Aufspriten".
Dadurch wird der Wein konserviert und man verhindert, dass er zu Essig wird.
Danach geht es in den "Salle des Secrets", in
den Raum der Geheimnisse. Nach einiger Zeit der Ruhe in der Kühle des
Weinkellers geschieht die endgültige Assemblage. Der "sonnengereifte"
Wein wird in größere, ovale Fässer umgefüllt, der leicht
vergorene Likörwein wird beigemischt und die verschiedensten Kräuter,
Gewürze, Blüten, Rinden, Samen, Blumen, Blätter werden
hinzugegeben. Dann mazeriert die Flüssigkeit mindestens drei Wochen. Man
nennt diese jahrhundertealte Methode "Dodinage". Alles geschieht per
Handarbeit. Der Kellermeister gibt die Zutaten in jedes Fass und mischt jeden
Tag manuell mit einem L-förmigen Rührgerät die Flüssigkeit
durch. Danach lässt man die Fässer mit dem fertigen Wermut noch einige
Wochen ruhen. Filtern und in Flaschen abfüllen sind die letzten
Arbeitsschritte des rund dreijährigen Herstellungsprozesses.
Die genaue Beigabe und auch deren Menge sind natürlich
ein streng gehütetes Geheimnis. Verraten wird aber, dass mehr als 20 Kräuter
und Gewürze verwendet werden: u.a. Koriander, Kamille, Muskatnusss, Enzian,
Zimt, Chinchona-Rinde, Kakaobohnen, Geürznelken, Kardamon, Vanille,
Bitterorange , Lavendel usw. Diese Zutaten kommen aus der ganzen Welt: Kamille
aus Italien, Koriander aus Bulgarien, Bitterorangenschalen aus Spanien,
Muskatnuss aus Indonesien, Tausendgüldenkraut aus Marokko...
Bei der abschließenenden Degustation erfährt
man nochmals viele interessante Details, Hinweise über die Verwendung in
der Küche und zu welchen Gerichten welcher Noilly Prat besonders schmeckt.
Vier Sorten werden hergestellt: Noilly Prat Original Dry, Noilly Prat Extra Dry,
Noilly Prat Rouge und Noilly Prat Ambré (mein Lieblingswermut!).
Siehe auch Leidenschaft Essen und Trinken - Trinken -
Der Wermut Noilly Prat
Weitere Informationen u. a. zu Besuchszeiten des "Maison
Noilly Prat" findet man
hier
.
©uew-2021-04